Am nächsten Tag bekommen wir einen Anruf, daß Nachts ein Schiff nach Jemen fahren würde, und zwar nach Mukhalla, ein Ort sehr weit im Osten, wo wir sonst wahrscheinlich nie hingekommen wären, weil es eben so weit im Osten liegt, und vor allem weil die Zufahrtsstraßen aus Sicherheitsgründen für Touristen nicht passierbar sind.
Nachmittags werden wir dann abgeholt um ganze 50 Meter zum Immigration Office zu fahren, was ziemlich genau schräg gegenüber unseres Hotels liegt. Der Wärter schickt uns erstmal wieder weg, weil sein Chef noch nich anwesend ist. Doch als wir gerade wieder ins Auto steigen wollen, kommt er gerade dahergelaufen. Die Ausreiseprozedur geht relativ schnell, ein paar Infos aus unseren Pässen werden in ein Buch übertragen, zusammen mit der Information daß wir mit dem Schiff Seastar nach Mokha fahren würden. Mokha liegt ganz im Westen des Jemen, an der Westküste, die nicht an den Golf von Aden grenzt, sondern ans rote Meer. Außerdem bekommen wir die Ausreisestempel, den sich Daniel sogar selber in den Paß stempeln darf. Und dazu gibt es noch eine Bescheinigung, die uns das Betreten des Hafens ermöglicht.
Danach gehts weiter zur Reederei, die unser Schiff betreibt. Dort zahlen wir den Fahrpreis, 50 US-$, und werden als zweiter bzw. dritter auf der Passagierliste eingetragen. Der erste ist ein Jemenit.
Dann geht es erstmal zurück ins Hotel. Nach dem Abendessen kaufen wir noch Wasser und ein paar Kleinigkeiten zum Essen für die Überfahrt. Danach gehts zum Hafen, wo auch schon unser Schiff wartet. Das Schiff heißt Seastar, ist 56 Meter lang und wurde 1967 in Deutschland gebaut. Das Schiff ist ein Viehtransporter, wir erfahren daß mit uns ca. 2000 Kühe, Ziegen und Schafe reisen werden. Von denen ist aber noch nichts zu sehen. Es ist auch erst ca. 9 Uhr Abends, das Schiff soll nachts zwischen 3 und 5 Uhr ablegen. Solange dürfen wir uns frei auf dem Hafen bewegen, was ziemlich interessant ist.
Das Bild zeigt ein paar Schiffswracks am Hafen von Berbera.

Nicht weit von unserem Schiff liegt ein riesiges Transportschiff, von dem gerade Mais abgeladen wird, welcher direkt am Hafen in 50-Kilo-Säcke abgefüllt wird: transportiert wurde der Mais als Schüttgut und wird mit rieseigen Baggern in Maschinen gefüllt, die aus zwei übereinandergestapelten Containern besteht, welche den Mais dann in die Säcke füllen. Die fertigen Säcke werden dann direkt auf LKWs geladen. Diese sollen den von Spanien im Rahmen des WFP (World Food Programme) gesponserten Mais dann nach Mogadischu bringen. Der ganze Abfüllprozess ist sehr interessant anzusehen. Bei jeder Baggerladung, die in die Maschinen abgefüllt wird, weht eine Fahne mit Maisspelzen über den ganzen Hafen. Außerdem geht jedes mal einiges daneben. Aber um die Maschinen herum sind Planen ausgelegt, von denen dann der verschüttete Mais aufgesammelt wird, um von Hand in Säcke abgefüllt zu werden.
Weiter hinten am Hafen wird gerade ein Containerschiff gelöscht, was auch ganz interessant ist. Und am Ende des Hafens liegt eine Fähre, an deren Rampe ein älterer Mann auf einem Plastikstuhl sitzt und raucht. Als wir ihn ansprechen erklärt er uns, daß er Syrer und der Kapitän es Schiffs sei. Er warte seit 12 Tagen, daß die Ladung gelöscht wird, aber die Somalier arbeiten so langsam.
Nach der Runde über den Hafen gehen wir in die Caféteria um uns noch einen Tee zu bestellen, was sich jedoch als kompliziert herausstellt: Daniel bekommt seinen Tee mit Kamelmilch sofort, aber ich will einen ohne Milch. Als wir gerdacht haben, der Teeausschenker hätte kapiert was ich will, bringt er zunächst nur eine Tasse Tee. Wir erklären es ihm nochmal, mit Hilfe anderer Gäste im Café. Ich bekomme eine Tasse mit Teeblättern. Erst auf den dritten Versuch bekomme ich meine Tasse schwarzen Tee.
Als wir zurück zum Schiff kommen, geht das Beladen gerade los. Ich hatte gedacht, daß irgendwelche Tiertransporter-LKWs kommen würden, aber hier wird die Herde Kühe einfach auf den Hafen getrieben. Und die Kühe sind da recht eigenwillig, sie pinkeln und kacken den ganzen Hafen voll, manche Kühe kämpfen gegenseitig mit ihren Hörnern, andere begatten sich, viele rutschen auf dem Glatten Beton im Hafen aus, und alle machen zusammen ein riesiges Chaos. Die Kühe müssen alle über eine einzige Rampe aufs Schiff. Das geht am Anfang recht schnell, aber einige Kühe reissen aus oder bocken. Eine Kuh schafft es locker, die Rampe mal für 10 Minuten zu blockieren.
Neben der Rampe gibt es noch einen Kran, der jeweils zwei Kühe in den Laderaum hieft. Das geht aber nicht sehr schnell. Als fast alle Kühe verladen sind, bleiben nur noch die widerspänstigen übrig. Und je weniger Kühe übrig sind, desto mehr Männer braucht es pro Kuh um diese aufs Schiff zu bekommen. Erst 3, dann 5, und am Schluß sind es sicher je 10 Mann die eine Kuh aufs Schiff ziehen. Eine der Ausreißerkühe schafft es dann auch irgerndwie zwischen die Paletten, auf denen wir sitzen und zuschauen, und rennt mich dann noch von Hinten um. Zum Glück ist nichts passiert.
Nachdem die Kühe verladen sind taucht die Ziegen- und Schafsherde auf. Nachdem die ersten Ziegen auf der Rampe sind taucht irgendwo zwischen den herumstehenden Container noch eine ausgerissene Kuh auf, aber die muß erstmal warten. Die Ziegen und Schafe sind wesentlich einfacher zu handhaben, sie laufen immer einander hinterher. Nur manche laufen neben der Rampe und müssen dann zurückgeführt werden. Aber der Ziegen- und Schafnachschub scheint kein Ende zu haben. Stunden später legen wir dann ab, ich schlafe schon.
Die See ist zwar relativ ruhig, aber das macht die Fahrt nicht unbedingt angenehmer, weil das Boot eh schaukelt und Schlagseite hat, da es ziemlich überladen ist. Und andererseits ist der Wind nur schwach, was die Hitze nicht gerade erträglicher macht. Die Crew ist ziemlich nett, und wir können uns frei auf dem Schiff bewegen. Nur auf den Bug kann man nur schwer, da man dazu durch die Ziegenherde klettern müsste, was wir uns ersparen, da es vorne ziemlich nach Tieren stinkt. Auf der Brücke ist es aber ziemlich interessant, da hier für unsere Verhältnisse ziemlich antike Navigationsgegegnstände herumstehen. Das Schiff fährt ziemlich langsam, so zwischen 10 und 15 km/h. Und es ist überall sehr laut, da auf dem Achterdeck ein lauter Generator brummt. Aber der Strom reicht nichtmal für die Klimaanlagen, der Kapitän meint, alles würde für die Ventilatoren im Laderaum gebraucht, damit die Kühe nicht ersticken. Dementsprechend gibt es auch keinen kühlen Raum auf dem Schiff, nur ein paar Ventilatoren machen es ertragbar.
Das nächste Bild zeigt einen Blick von der Brücke Richtung Ladefläche, das darauf einen Blick auf die Brücke mit dem Steuermann und dem Funker:


Abends gibt es bei Sonnenuntergang das erste mal Essen, zum Fastenbrechen. Es gibt Datteln, Gebäck und Saft als Vorspeise, als Hauptgericht Milchreis mit Gemüse und Fleisch.
Ein paar Crewmitglieder wollen mir in einer Kabine etwas zeigen, ein Pulver mit Klumpen drin, Ich denke erst, es ist Weihrauch, als ich „fire“ sage, meinen sie nein, aber sie halten trotzdem ein Feuerzeug dran, um mir zu zeigen daß es nicht brennt. Ein anderer Seemann meint dann, es handele sich um „Uranium“. Aber ganz schlau werde ich nicht aus der Vorführung.
Am nächsten Tag wird dann noch eine Ziege auf dem Schiff geschlachtet und auseinandergenommen, vermutlich für die Rückfahrt es Schiffes. Interessant anzusehen:
Gegen Mittag kommen wir dann nach ca. 30stündiger Überfahrt in Mokha an. Wir gehen als erste vom Schiff, nachdem ein Zöllner unsere Pässe und Rucksäcke inspiziert hat. Der Immigrationsbeamte ist sehr nett, er kann ein paar Brocken deutsch da er mal in der DDR war. Und er fährt uns nachder Einreiseprozedur freundlicherweise auch gleich noch in den Ort zum Taxistand, sonst hätten wir bei 40 Grad im Schatten durch die glühende Sonne dort hinlaufen müssen.
Mokha selbst ist nicht sehenswert, ein trockener, staubiger, verlassener Ort, der seine Besten Zeiten sicher vor langer Zeit hatte, wie man auch auf dem Bild erkennen kann. Deswegen warten wir dort wirklich nur, bis unser Sammeltaxi voll ist. Während dem Warten gehen wir nochmal schnell zum dreckigen Strand, damit ich meine Füße reinhalten kann, und finden noch einen Geldautomaten für unsere erste Ladung jemenitischer Rial.

Mit dem Sammeltaxi fahren wir dann weiter nach Ta´izz, einer größeren Stadt die schon im Hochland liegt und deswegen wesentlich angenehmere Temperaturen vorzuweisen hat.